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Paradoxe Innovation: die neue Art des Problemlösens?

Aktualisiert: 9. März 2023


Menschen werfen Kartonboxen durch die Luft

Wie bizarre Ideen und ein Blick über den Tellerrand für mehr Nachhaltigkeit, Gesundheit und Energie sorgen können


Es gibt verschiedene Ansätze, um Innovationsarten zu klassifizieren. So unterscheidet man zum Beispiel zwischen Produkt-, Prozess- und Geschäftsmodellinnovationen, wenn man den Gegenstand der Innovation in den Fokus rückt. Oder zwischen radikalen, inkrementellen und disruptiven, wenn es um den Neuigkeitsgrad bzw. Veränderungsumfang geht. Das alles dürfte Ihnen bestens bekannt sein, zumal es in zahllosen Managementbüchern ausführlich abgehandelt wird. Aber haben Sie jemals von „paradoxen Innovationen“ gehört? Nein?


Wir auch nicht! Und trotzdem scheint es sie zu geben, und zwar in Form von bizarren Lösungsansätzen, die trotz aller Widersprüche und klischeehafter Assoziationen unerwartet Positives hervorbringen. So haben die paradoxen Innovationen, die wir aufgetan haben, das Zeug, weltweit für weniger CO2-Emissionen, für mehr Know-how im Gesundheitsbereich und für langanhaltende grüne Energie zu sorgen, auch wenn es sich bei denen, die sie erdacht haben, bizarrerweise um einen Wodkahersteller, einen Tabakkonzern und einen Abfall anhäufenden Friseur handelt. Doch lesen Sie einfach selbst!


Wodka aus CO2: wie Alkohol zu Erreichung der Klimaziele beitragen kann


„Wenn dir das Leben Kohlendioxid gibt, mach Wodka draus.“ Das haben sich die Gründer der Air Company (kurz: Air Co) gedacht und stellen seither Wodka her. Der ehemalige Marketingleiter Greg Constantine und der Elektrochemiker Stafford Sheehan wollten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Normalerweise verursacht die Herstellung einer Flasche Wodka etwa 6,5 Kilogramm Treibhausgas, denn durch die Beigabe von Hefe, die üblicherweise für den Vergärungsprozess verwendet wird, kommt es zur Freisetzung von Kohlendioxid. Bei der Wodkaproduktion von Air Co wird hingegen mehr Kohlendioxid absorbiert als abgegeben, weil erst gar keine Hefe zum Einsatz kommt. Stattdessen erfolgt eine Umwandlung von CO2 in Ethanol, und zwar auf die gleiche Weise, wie es Pflanzen bei der Photosynthese tun. Und das äußerst effizient: Jede Flasche nimmt so viel CO2 auf wie acht Bäume an einem Tag. Das CO2 stammt aus nahegelegenen Fabriken – paradoxerweise von Unternehmen, die Alkohol produzieren. [1]


Tabakriese will mit Know-how Lifesciences-Sektor voranbringen


Die Tabakbranche hatte es schon leichter als heute. Was tun, wenn der Konsum von Zigaretten, Zigarillos, Zigarren weltweit im Großen und Ganzen zurückgeht, wenn die Politik in diversen Ländern die Zügel auf diese oder jene Art strafft und wenn die Unternehmen bei Investoren keinen leichten Stand haben und auch immer weniger gern als Veranstaltungssponsor gesehen sind? Beim Marktführer Philip Morris International (PMI) zeichnet sich ein neuer Weg ab. Nachdem PMI bereits mit dem Tabakerhitzer Iqos einen guten Wurf gelandet hat, deutet CEO Jacek Olczak im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung kurz nach seinem Wechsel auf den Chefposten an, wo er eine Perspektive sieht: Das Inhalationsverfahren, auf das man spezialisiert sei, solle außerhalb der Tabak- und Nikotinwelt nutzbringend vermarktet werden. Just im Gesundheitswesen. Das PMI-Fachwissen in Sachen Inhalation sei nämlich mindestens so umfassend wie das der Pharmabranche und könne die Medikamentenverabreichung optimieren. Zum Beispiel bei Notfällen könne Medizin über die Atemwege besonders schnell in das Kreislaufsystem gelangen. Auch für Schmerzmittel sei dies eine wichtige Option. Im therapeutischen Bereich verschriebenes Cannabis lasse sich inhalieren. Die Initiative laufe unter der Bezeichnung „Beyond Nicotine“. [2]


Bessere Photovoltaik durch Friseurabfälle


Das Recycling von organischen Abfällen ist Teil der Lösung von Umweltproblemen. Ansätze dazu gibt es viele. Und manche davon sind ungewöhnlich, wie z. B. eine neue Technologie, die Forscher der Queensland University of Technology (QUT) zum Einsatz brachten: Mit Haaren, die aus einem Friseursalon im australischen Brisbane stammen, konnten die Forscher die Lebensdauer von Perowskit-Solarzellen erhöhen. Perowskit-Solarzellen sind die Hoffnungsträger der Photovoltaik. Sie sind günstig, leicht herzustellen und äußerst effizient. Allerdings lässt die Lebensdauer etwas zu wünschen übrig. Um das zu ändern, wandelten die Forscher die Haare „einfach“ unter Luftabschluss und bei einer Temperatur von 240 Grad Celsius in nanometergroße Kohlenstoffpartikel um, die dann mit einer Art Brei vermischt wurden, der das Basismaterial für Solarzellen darstellt. Zur Überraschung der Forscher bildete die ausgehärtete Paste einen Panzer, der die Kristalle vor Feuchtigkeit oder anderen schädigenden Umwelteinflüssen schützt. So kann ein Friseurbesuch nicht nur der eigenen Schönheit dienen, sondern zudem für langanhaltende Energie sorgen. [3]


Neugierig auf mehr?


Im Innovationskompass findest du zu jedem Trend- oder Problemfeld topaktuelle Innovationsbeispiele, die von unserem Scoutingteam kompakt zusammengefasst werden.


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