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Christian Stadler über Openness in der Innovationsarbeit



Warum crossfunktionale Teams und Cross-Industry Innovation essenziell für zukunftsfähige Unternehmen sind


Wie können Unternehmen ihre Strategie- und Innovationsarbeit auf eine neue, unkonventionelle Art und Weise entwickeln, die auf das schnelllebigere und unbeständigere Geschäftsumfeld von heute zugeschnitten ist? Darüber habe ich kürzlich mit Prof. Christian Stadler gesprochen. Er ist in seinem jüngsten Buch, in Open Strategy. Mastering Disruption from Outside the C-Suite, genau dieser Frage nachgegangen und hat dabei neue Wege für Unternehmen skizziert, um agil auf das sich rasch verändernde Marktumfeld zu reagieren. Die Themen Offenheit, bereichsübergreifende Teams und branchenübergreifende Innovation spielen dabei eine große Rolle.


Christian Stadler ist Professor für Strategisches Management an der renommierten Warwick Business School. Er geht mit seiner Forschungsarbeit grundlegenden strategischen Fragen nach und untersucht, auch welche Weise es Unternehmen möglich ist, zu wachsen, sich anzupassen und Konkurrenten auszustechen. Seine Arbeit wurde bisher in den Medien Harvard Business Review, Sloan Management Review, New York Times, Wall Street Journal, Financial Times, Bloomberg Business Week, Fast Company, Fortune/CNN und BBC veröffentlicht und in elf Sprachen übersetzt. Außerdem schreibt Stadler einen Forbes-Blog. Im Jahr 2021 wurde er von Thinkers50 für den Strategy Award nominiert.


Letztlich entstehen durch die unterschiedlichen Kompetenzen aus verschiedenen Fachrichtungen und Branchen crossfunktionales Denken und Handeln sowie branchenübergreifende Innovationen. Kompetenzen, die in Zukunft für Unternehmen erfolgsentscheidend sein werden.

Franz Bailom: Christian, uns allen wird täglich vor Augen geführt, dass die Dynamik und die Unsicherheit nicht nur im wirtschaftlichen Umfeld laufend zunehmen. Was ist aus deiner Sicht der bedeutendste Erfolgsfaktor, um als Unternehmen erfolgreich bestehen zu können?


Christian Stadler: Aus meiner Sicht ist es für Unternehmen mehr denn je erfolgsentscheidend, die Veränderungen am Markt frühzeitig zu erkennen und zu antizipieren, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und die notwendigen Veränderungen schnell und möglichst effektiv umzusetzen. Leider setzen sich nach wie vor viel zu wenige Unternehmen systematisch und technologiegestützt mit diesem Themenkomplex auseinander. Folglich haben die relevanten Personen und Entscheidungsträger in den unterschiedlichen Funktionen kein einheitliches Bild bezüglich der sich abzeichnenden Chancen und Risiken sowie der tatsächlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten, die den Unternehmen offenstehen. Durch unnötige Diskussionen und langwierige Abstimmungsprozesse gehen unweigerlich die notwendige Dynamik und Agilität sowie die Innovationskraft verloren.


Franz Bailom: Wie kann es Unternehmen gelingen, diese Fähigkeiten aufzubauen?


Christian Stadler: Meines Erachtens kann dies nur wie folgt gelingen:

  1. durch eine systematische Trendbeobachtung und eine darauf aufbauende Diskussion über alle Hierarchiestufen hinweg,

  2. durch die Steigerung der Agilität und Innovationsfähigkeit aller Teams bzw. Abteilungen sowie

  3. durch die Nutzung der Potenziale von Open Strategy und Open Innovation.

Franz Bailom: Kommen wir zu deinem ersten Punkt. Was verstehst du unter systematischer Trendbeobachtung?


1. Trendbeobachtung und Diskussion


Christian Stadler: Ich wage zu behaupten, dass es vermutlich kein einziges Unternehmen gibt, das ohne Vorbereitung schnell auf eine markante Veränderung reagieren kann. Das bedeutet, dass Unternehmen bereit sein müssen, sich in sämtlichen Abteilungen laufend die Frage zu stellen, welche Chancen und Risiken sich aufgrund der globalen Veränderungen bzw. Trends kurz-, mittel- und langfristig ergeben könnten. Nur so haben Unternehmen die Chance, vorbereitet zu sein und im Idealfall sogar aus der Veränderung resultierende Marktvorteile zu realisieren.


Franz Bailom: Kannst du uns dies anhand eines Beispiels verdeutlichen?


Christian Stadler: Man muss sich im Klaren sein, dass sich Zukunft immer schon im Heute abzeichnet. Denken wir beispielsweise an die Entwicklungen rund um das Thema Nachhaltigkeit. Vielen Unternehmen wird erst jetzt langsam klar, dass sie sich schon vor Jahren damit hätten auseinandersetzen sollen. Die echten Gewinner werden jene Unternehmen sein, die die Bedeutung dieses Trends früh erkannt und sich systematisch damit beschäftigt haben. Ganz allgemein werden jene Unternehmen in der Lage sein, als Vorreiter erfolgreich am Markt zu agieren, die die Herausforderungen und die damit verbundenen Chancen, die sich ja meistens schon Jahre zuvor abzeichnen, rechtzeitig erkennen und verstehen. Und dann gilt es, darauf aufbauend eine Diskussionskultur zu etablieren, die einen Austausch über alle Hierarchiestufen hinweg erlaubt. Insbesondere die Kommunikation und Diskussion zwischen Top- und Mittelmanagement muss gefördert werden. Hier weisen viele Unternehmen noch ein Manko auf.


Franz Bailom: Den Einfluss und die Bedeutung von Zukunftsrelevantem zu erkennen und zu verstehen, ist das eine. Das andere ist es allerdings, richtig darauf zu reagieren. Und zwar rasch. Wie steigert man also die Agilität des eigenen Unternehmens? Und was bedeutet dieses viel strapazierte Wort in deinem Verständnis?


2. Steigerung der Agilität


Christian Stadler: Agilität bezeichnet, vereinfacht ausgedrückt, die Fähigkeit eines Unternehmens, sich schnell mit den richtigen Lösungen an die neuen Anforderungen anzupassen. Unternehmen müssen sich in diesem Zusammenhang insbesondere über zwei Dinge im Klaren sein:


  1. Es gilt, vernetzt über Bereichs- und Abteilungsgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Neben der kulturellen Bereitschaft bedarf es im Unternehmen dafür aber auch einer maximalen Transparenz bezüglich dessen, wer über welche Kompetenzen verfügt und welche Initiativen von wem vorangetrieben werden.

  2. Alle Bereiche und Abteilungen – von Marketing und HR bis zu Vertrieb, Entwicklung und Produktion – müssen konsequent an der eigenen Anpassungsfähigkeit, sprich: Agilität, arbeiten. Das heißt, sie müssen die eigene Innovationskraft ausbauen. Innovation kann und darf nicht alleinige Aufgabe der Innovationsabteilung sein. Spitzenunternehmen bringen nicht nur immer wieder Topprodukte und -services hervor. Sie haben alle auch die innovativsten Marketing-, Vertriebs-, HR- oder Produktionsteams.

Franz Bailom: Aber wie werden Teams und Abteilungen nun tatsächlich innovativer?


Christian Stadler: Wichtig ist zunächst, zu verstehen, dass zum einen die Gehirnforschung nachgewiesen hat, dass die „Innovationskraft“ von Menschen dann maßgeblich steigt, wenn sie immer wieder auf interessante Inhalte stoßen und von Neuem inspiriert werden. Zum anderen verdeutlichen Studien augenscheinlich, dass man nicht immer etwas revolutionär Neues hervorbringen muss. Heute sind nämlich bereits mehr als 80 Prozent aller Innovationen Rekombinationen von Bestehendem.


Das heißt konkret: Jede Abteilung und jedes Team sollte Zugriff haben auf


  • möglichst viele innovative Beispiele, innovative Technologien oder Lösungsansätze aus unterschiedlichsten Branchen oder Bereichen; smarte Innovations- und Technologiedatenbanken eröffnen mittlerweile gute Möglichkeiten, systematisch darauf zuzugreifen.

  • smarte Tools, mit denen sich jederzeit einfach und kollaborativ an innovativen Lösungen arbeiten lässt.

Franz Bailom: Als dritte zentrale Voraussetzung hast du Open Innovation und Open Strategy genannt. Warum ist das für Unternehmen so wichtig?


3. Open Strategy und Open Innovation


Christian Stadler: Ich hatte mit meinem Kollegen Kurt Matzler und mit anderen die einzigartige Möglichkeit, mich im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts mit Topentscheidern aus aller Welt zu deren Erfahrungen und Erfolgen im Kontext von Open Strategy auszutauschen. Wir haben gemeinsam deren Use Cases analysiert und die spezifischen Learnings herausgearbeitet. Im Kern zeigte sich, dass Unternehmen, die auf Öffnung, Vernetzung und kollaboratives Arbeiten setzen, unglaubliche Erfolge erzielen können. Es hat sich nicht nur die Qualität in der Strategieentwicklung und -umsetzung massiv verbessert. Vielmehr sind die Unternehmen insgesamt viel dynamischer und agiler geworden.


Franz Bailom: Was kann man daraus grundsätzlich für Unternehmen ableiten?


Christian Stadler: Jede Abteilung und jedes Team sollte motiviert und befähigt werden, „Openness“ zu leben und für das Generieren von Ideen und Lösungsansätzen zu nutzen. Das gezielte Einbinden von unterschiedlichen Akteuren – seien es Kollegen aus anderen Bereichen, Experten, Zulieferer, Kunden, Unternehmer oder sogar Wettbewerber – bringt in der Regel wertvollen inhaltlichen Input und steigert schon nach kurzer Zeit die Agilität. Letztlich entstehen durch die unterschiedlichen Kompetenzen aus verschiedenen Fachrichtungen und Branchen crossfunktionales Denken und Handeln sowie branchenübergreifende Innovationen. Kompetenzen, die in Zukunft für Unternehmen erfolgsentscheidend sein werden.


Franz Bailom: Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Christian!


 

PS: Wir können nur wärmstens empfehlen, das Buch „Open Strategy“ zu lesen.


Open Strategy: Mastering Disruption from Outside the C-Suite

(Management on the Cutting Edge)

Gebundene Ausgabe – Oktober 2021







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