In der IT-Branche sind die Herausforderungen, geeignete Mitarbeitende aller Altersgruppen zu finden und zu halten, besonders hoch, zumal es sich um eine sehr dynamische und schnelllebige Branche handelt, die nicht nur auf Erfahrungswissen bauen kann. Eine Unternehmenskultur, die Innovation, Kreativität und persönliche Entwicklung zulässt, trägt dazu bei, talentierte Mitarbeitende zu gewinnen und langfristig an das Unternehmen zu binden. Doch wie schafft man eine solche Kultur? Für unseren Wissenshub für HR und OE haben wir uns mit Olga Spivak unterhalten. Denn wir wollten ein besseres Verständnis dafür erhalten, was Unternehmen tun können, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Olga ist Head of Recruiting & Employer Branding bei der codecentric AG, einem Unternehmen mit Sitz in Solingen, das sich auf Individualsoftwarelösungen in diversen Branchen spezialisiert hat. Sie verfügt über langjährige Berufserfahrung im Personalwesen und ist davon überzeugt, dass es die Menschen sind, die ein Unternehmen voranbringen und dass es daher wichtig ist, sich auf deren Werte, Wünsche und Arbeitsweisen zu konzentrieren.
in-manas im Gespräch mit Olga Spivak | codecentric AG
in-manas: Vielen Dank, Olga, dass du dir die Zeit nimmst, unsere Fragen zu beantworten. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben zweifellos zu Veränderungen in der Arbeitswelt und damit auch im Personalbereich geführt. Auch der zunehmende Fachkräftemangel setzt viele Unternehmen unter Druck. Wie geht ihr damit um?
Mit Peer Recruiting zu passenden Mitarbeitenden
Olga: Wir gehen proaktiv und gezielt auf potenziell geeignete Personen zu. Und wenn sie sich auch für uns interessieren, versuchen wir im Bewerbungsprozess zu punkten. Dabei setzen wir auf die Methode des Peer Recruiting. Peer steht für Gleichgesinnte, in diesem Fall sind es die Kolleginnen und Kollegen im Unternehmen. Das bedeutet, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst bei Neueinstellungen mitentscheiden und Bewerbungsgespräche führen. Es geht also darum, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Folgen am meisten spürbar sind und dass unsere Angestellten das Unternehmen mitgestalten können.
in-manas: Wie genau können wir uns den Prozess vorstellen?
Olga: In der Regel erfolgt die Vorauswahl der Bewerbungen durch das Personalteam, und die jeweiligen Fachbereiche oder Standorte entscheiden dann, ob sie die weitergeleiteten Bewerbungen näher betrachten möchten oder nicht. Üblicherweise werden zwei persönliche Gespräche geführt, bei denen die betroffenen Fachkolleginnen und -kollegen sowie gegebenenfalls Mitarbeitende der Personalabteilung und der Standortleitung beteiligt sind. Die verschiedenen Perspektiven helfen dabei, ein umfassendes Bild von den Bewerberinnen und Bewerbern zu erhalten. Sobald jemand ein Veto einlegt und dies begründet, wird die Person abgelehnt. Die endgültige Entscheidung ist in den meisten Fällen eine Teamentscheidung. Das bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich:
Für das Unternehmen bedeutet es eine gute und sorgfältige Auswahl passender Kandidatinnen und Kandidaten.
Die Mitarbeitenden haben die Möglichkeit, ihre zukünftigen Teammitglieder selbst auszuwählen und tragen somit zur Gestaltung des Teams bei.
Die Bewerberinnen und Bewerber erhalten Einblicke in die Arbeitswelt des Unternehmens, können sich fachlich auf Augenhöhe mit potenziellen Kolleginnen und Kollegen austauschen und erhalten ein realistisches Bild von der Firma. Dadurch wird das Risiko einer Fehlbesetzung minimiert.
in-manas: Doch Unternehmen müssen nicht nur geeignete Beschäftigte finden, sondern auch das bestehende Personal bestmöglich betreuen. Mit über 550 Mitarbeitenden über alle Altersgruppen hinweg, die zudem auf 13 Standorten verteilt sind, ist das sicher gar nicht so einfach. Inwiefern unterscheiden sich die Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen?
Mit generationengerechten Anreizsystemen zu motivierten Teams
Olga: Ich würde das so auf den Punkt bringen:
Die Generation X, die zwischen 1965 und 1980 geboren wurde, legt Wert auf berufliches Vorankommen und eine ausgewogene Work-Life-Balance. Unabhängigkeit und Individualismus sind ebenfalls wichtige Aspekte für sie.
Die Generation Y, auch Millennials genannt und zwischen 1980 und 1995 geboren, achtet neben einer gesunden Work-Life-Balance auf Selbstverwirklichung und darauf, dass ihr Job den eigenen Werten entspricht. Soziale und ökologische Verantwortung spielen eine immer größere Rolle.
Und die Generation Z, zwischen 1995 und 2010 geboren, schätzt Unabhängigkeit, freie Entfaltung und Flexibilität. Corporate Social Responsibility ist für sie besonders wichtig.
Immaterielle Aspekte sind also insbesondere für die Generationen Y und Z von großer Bedeutung. Für sie ist Glück wichtiger als Geld. Und der Sinn ihrer Arbeit zählt mehr als der Status. Dennoch erwarten sie auch eine faire Bezahlung, da ihre Arbeit finanziell attraktiv sein soll. Es geht ihnen darum, ein Unternehmen zu finden, das ihren Werten entspricht und in dem sie sich persönlich entfalten können.
in-manas: Das heißt, ihr tretet an die Generationen unterschiedlich heran, auch mit verschiedenen „Leistungsversprechen“?
Olga: Ich denke: Eine gelebte Flexibilität in Bezug auf Arbeitsmodelle sowie Teilzeitangebote und Sabbatical-Programme sind mittlerweile altersunabhängig für alle essenziell und bei uns auch Standard. Solche Modelle können, sofern richtig gehandhabt, automatisch zu mehr Work-Life-Balance und Familienfreundlichkeit beitragen.
in-manas: Die Freiheit, Remote zu arbeiten, nimmt nun auch außerhalb der IT-Branche zu. Unternehmen mit vielen Kontrollmechanismen sehen sich durch das verstärkte mobile Arbeiten allerdings mit Kontrollverlust und Ergebnisdruck konfrontiert. Der Sprung in eine Vertrauenskultur scheint mancherorts also noch nicht gelungen zu sein. Wie geht ihr bei codecentric damit um?
Mit Freiheiten und Gestaltungsspielraum zu mehr Erfolg
Olga: Vertrauen erachten wir als Grundstein für eine gute Führungskultur. Wir sind davon überzeugt, dass Unternehmen, die eine vertrauensvolle Arbeitsumgebung schaffen und ihren Mitarbeitenden Freiheiten und Gestaltungsspielraum geben, erfolgreicher sein werden. Die Rolle der Führungskräfte muss sich dabei von einer Managementrolle hin zu einer Coachingrolle verändern. Manager müssen sich also verstärkt als Enabler betrachten und sich auch so verhalten. Diese Transformation geht natürlich nicht von heute auf morgen und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Die Geschäftsführung sollte hier als Vorbildfunktion fungieren und Personalabteilungen können Angebote schaffen, um Führungskräfte entsprechend zu schulen. Dabei ist Transparenz besonders wichtig. Formate zu schaffen, um die Mitarbeitenden richtig zu informieren und mitzunehmen, ist aus meiner Sicht bei jedem Transformationsprozess erfolgsentscheidend.
in-manas: Welche Schulungsformate und Ausbildungsformen habt ihr generell im Angebot, sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeitende?
Olga: Grundsätzlich ist Weiterbildung ein zentrales Thema bei codecentric. Gerade die IT-Welt ist sehr schnelllebig und Weiterbildung ist für Entwicklerinnen und Entwickler sehr wichtig. Unsere Consultants arbeiten beispielsweise durchschnittlich 80 Prozent ihrer Arbeitszeit in Kundenprojekten, die restliche Zeit wird für interne Themen und Events und vor allem für die eigene Weiterbildung genutzt. Dabei kann jeder frei entscheiden, zu welchen Themen er sich weiterbildet. Natürlich sollte diese Weiterbildung einen Bezug zur Arbeit haben. Auch im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung haben wir einige Angebote, die sich zum Teil an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zum Teil speziell an Führungskräfte richten.
in-manas: Bietet ihr auch Lösungen für Stressbewältigung und Gesundheitsmanagement an?
Mit Coachings und Feel-Good-Maßnahmen zu einer gesunden Vertrauenskultur
Olga: Das Thema Gesundheitsmanagement liegt uns sehr am Herzen. Hier haben wir verschiedene Formate, etwa Coaching-Stunden, die unsere Mitarbeitenden in allen Lebenslagen unterstützen: sei es bei der Suche nach einem Facharzt, einem Therapieplatz oder bei rechtlichen Fragen. Aber auch Sportangebote sowie Impulsvorträge zur physischen und psychischen Gesundheit gehören zu unserem Angebot.
Wir bieten auch Kinderbetreuung an, denn Elternschaft und Beruf sind nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Das Wichtigste ist aber, dass unsere Beschäftigten nicht ausbrennen. Obwohl wir ein Beratungshaus sind, stellen Überstunden bei uns eine Ausnahme dar. Zusätzlicher Urlaub und Sabbaticals sind bei uns selbstverständlich. Für Sicherheit sorgt auch eine gesunde Vertrauenskultur. Wir haben einen Bereich im Unternehmen, das Feel-Good-Management, das dabei hilft, kulturell anzukommen und sich bei codecentric wohlzufühlen. Dort finden die Kolleginnen und Kollegen immer Unterstützung und werden mit ihren Sorgen nicht allein gelassen.
in-manas: Vielen Dank für deine Ausführungen, Olga. Bei all den tollen Angeboten für eure Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müsst ihr euch bezüglich Fachkräftemangel wirklich keine Sorgen machen. Alles Gute weiterhin. Und vielleicht ergibt sich bald wieder die Gelegenheit, in eure Unternehmenskultur einzutauchen und ein paar Impulse mitzunehmen.
HINWEISE UND VERTIEFUNGTIPPS
Wer mehr über Olga Spivak erfahren möchte: Hier geht es zu ihrem LinkedIn Profil.
Hier geht es zur Website der codecentric AG.
Und für alle, die Lust auf mehr Themen rund um Personal- und Organisationsentwicklung haben: Im Wissenshub für HR und OE in unserem INNO-VERSE gibt es „unendlich viel“ Diskussions- & Innovationsraum für aktuelle Themen und Herausforderungen wie diese, samt Tausenden Innovationsbeispielen, zahlreichen Interviews und Tools sowie Special Contents als Inspirationsquelle, um darauf aufbauend an Lösungen zu arbeiten.
Comments