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Der Büroklammer-Test: Wie verspielt und kreativ ist dein Unternehmen?



Kennt ihr den "Büroklammer-Test"? Nein? Er ist auch als "Alternative-Verwendungszwecke-Test" bekannt und zeigt, wie kreativ man ist. Die Aufgabe lautet, sich neue, originelle Verwendungszwecke für eine Büroklammer auszudenken, und zwar so viele wie möglich innerhalb kurzer Zeit. (Es kann auch ein anderer Gegenstand sein, beispielsweise ein Ziegelstein.) Die Punktezahl ergibt sich aus der Anzahl und der Originalität der Ideen. Entwickelt wurde dieser Test vom Psychologen Joy Paul Guilford – und zwar bereits im Jahr 1950. Er wird bis heute von zahlreichen Forschern verwendet, um die Kreativität von Menschen zu messen. [1]

Wir müssen gestehen, bis zu unserem Gespräch mit Fried. Große-Dunker – einem der Mitbegründer von Dark Horse – kannten auch wir diesen Test nicht. Das Innovationshaus ist für seine unkonventionellen Lösungsansätze bekannt, und dafür, dass die Menschen dort gerne arbeiten, weil sie Spaß bei ihrem Schaffen haben. Wir wollten wissen, wie der Arbeitsalltag bei Dark Horse konkret aussieht und ob tatsächlich Spiel & Spaß dominieren. Dabei erfuhren wir unter anderem, dass

  • uns Kinder im Vorschulalter hinsichtlich Kreativität und Ideenreichtum weit voraus sind,

  • Spiel & Spaß für divergentes Denken und innovatives Problemlösen wichtig sind,

  • Dark Horse trotz Spaßfaktor wie ein "strenges" Kloster organisiert ist.

Bildlink, der zur Anmeldung zum Wissenshub für HR und OE führrt.

in-manas im Gespräch mit Fried. Große-Dunker


Fried ist Entrepreneur, Innovationsberater und Dozent. Er lebt seit Jahren in Berlin und hat mit 29 Mitbegründern die Innovationsberatung Dark Horse aufgebaut. Gemeinsam mit ihnen hat er das Buch "Thank God It's Monday“ geschrieben. Mittlerweile sind auch zahlreiche Playbooks entstanden. Das jüngste, das "Future Organization Playbook", eine Anleitung für innovative Unternehmen in der Transformation, ist im März 2023 erschienen. In all ihren Werken zeigen die Jungunternehmer auf, dass Arbeit auch Spaß machen darf und nicht länger als "lästiger Schnupfen" empfunden werden muss, der von Montag bis Freitag andauert. Warum bei Dark Horse nicht alles allzu "ernst" genommen wird, erfahrt ihr in diesem Interview.

in-manas: Fried, wie sehr ist euer Denken und Arbeiten von Spiel und Spaß geprägt? Oder anders gefragt: Ist der Spaßfaktor bei euch dominant?


Fried: Ich glaube nicht, dass bei uns Spiel und Spaß DOMINIEREN – in dem Sinne, dass wir jeden Morgen zuerst einmal ins „Bällebad“ tauchen, danach drei Stunden „Kicker“ spielen, dann fünf Minuten lang vor dem Laptop sitzen und uns im Anschluss daran ein Brainstorming-Post-it nach dem anderen entgegenwerfen. So ist es also bei uns definitiv nicht. Aber wir legen SEHR GROSSEN WERT auf „Spiel und Spaß“, und zwar deshalb, weil wir finden, dass die Arbeitswelt generell viel zu leicht in eine starke Ernsthaftigkeit verfällt. Und das ist nicht unbedingt förderlich, was das kreative Denkvermögen betrifft. Das zeigen auch wissenschaftliche Tests bzw. Studien, die die Kreativität von Kindern unterschiedlicher Altersstufen, aber auch von Erwachsenen messen ...

in-manas: Wie kann man sich diese Tests vorstellen?

Fried: Man hat Kindern verschiedene Gegenstände gegeben – zum Beispiel Büroklammern – und sie dann gefragt, was man denn damit alles machen könnte: in welchen Situationen bzw. für welche Zwecke diese Gegenstände nützlich wären. Die Anzahl und Originalität der Ideen und Vorschläge dienen als Vergleichswert für die Kreativität, ab einer bestimmten Punktezahl gibt es das Prädikat GENIAL.

in-manas: Das heißt ...?

Fried: Das heißt, dass diese Kinder sich als deutlich kreativer als Erwachsene erwiesen, Lösungen zu entwickeln. Sie schienen also ein viel stärkeres DIVERGENTES DENKEN ausgeprägt zu haben - ein Denken, das sich offen, unsystematisch und experimentierfreudig an Problemlösungen herantastet. Diese Tests hat man bei Kindern im Vorschulalter gemacht, dann erneut in der Grundschule und später dann in den weiterbildenden Schulen. Und schlussendlich hat man diesen Test auch an Universitäten bzw. im Arbeitsleben wiederholt. Man hat sich also angeschaut, wie sich divergentes Denken im Laufe der Zeit entwickelt.

 

@Divergentes Denken


Die Gedanken von einem Punkt aus in ganz unterschiedliche Richtungen „schweifen“ zu lassen, ist die Grundidee des "divergenten Denkens", ein von J.P.Guilford geprägter Begriff. Ein offenes, unsystematisches und spielerisches Herangehen an Aufgaben und Problemstellungen steht dabei im Vordergrund und soll helfen, Denkblockaden und „Selbstzensur“ auszuschalten. [2] [3]

 

in-manas: Und das Ergebnis?

Fried: Sehr ernüchternd, würde ich sagen: Im VORSCHULALTER haben 97 Prozent der Kinder das Prädikat GENIAL bekommen. 97 Prozent der Kinder haben also dermaßen viele Anwendungsmöglichkeiten für eine Büroklammer gefunden, dass man das gemeinhin als genial bezeichnen würde. Und jetzt, fast forward, zum ARBEITSLEBEN: Der Anteil der "Genies" ist hier auf drei Prozent gesunken! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Nur noch drei Prozent der im Berufsleben stehenden Menschen haben die Fähigkeit, genial "divergent" zu denken.

in-manas: Was sind deiner Meinung nach die Ursachen dafür? Wie kommt es, dass auf dem Weg zum Erwachsenwerden dermaßen viel Potenzial "auf der Strecke" bleibt?

Fried: Ich denke, dieses kreative Potenzial wird durch die Art und Weise verschenkt, wie wir Kinder in unserem Bildungssystem erziehen. Damit meine ich, dass Kindern kaum mehr die Möglichkeit gegeben wird, ihre Fantasie "spielen" zu lassen. Kinder brauchen Frei- und Experimentierräume, in denen sie sich für etwas begeistern können, ohne dass das Ergebnis von Erwachsenen als "richtig" oder "falsch" eingestuft wird. Leider ist jedoch bei sehr vielen Kindern jede Minute getaktet und nach einem strengen Plan organisiert. Da bleibt kaum Zeit für "Spinnereien" oder fürs "Tagträumen". Das sind meiner Meinung nach die Hauptgründe. Ich bin aber auch der Meinung – und das ist jetzt meine subjektive, zugespitzte These –, dass wir unser divergentes Denken, und damit unser Kreativitätspotenzial, durch zu viel Ernst zerstören.

in-manas: Und deshalb wird bei euch der Spaßfaktor "groß" geschrieben?

Fried: Ja, denn wir müssen ja auch laufend die Dinge von einem Punkt ausgehend "divergent" betrachten, um schlussendlich auf sämtliche Nutzerwünsche und -bedürfnisse "antworten" zu können. Wir wissen inzwischen aus Erfahrung, dass eine spielerische Herangehensweise – oft reicht auch schon eine ironische Distanz – dazu verhilft, Dinge "neu" zu denken und neue Lösungen zu finden. Mit Spaß kommt man häufig auf bessere Ergebnisse als wenn man versucht, die Dinge verkrampft und rein rational zu lösen. Das mag für manche Aufgabenstellungen der richtige Weg sein, aber nicht, wenn Kreativität über den Erfolg entscheidet. Für uns sind Spaß und Spiel nicht nur Selbstzweck, sondern auch ein kulturelles Instrument, um erfolgreich zu innovieren.

in-manas: Nun wissen wir aber aus eurem Buch, dass eure Zusammenarbeit ähnlich wie in einem Kloster organisiert ist. Wie passt das zusammen? Ein Kloster erinnert doch mehr an einen ernsten, ruhigen Ort – mit "starren" Regeln und wiederkehrenden Ritualen?

Fried: Wir haben uns zu Beginn unserer Gründungsphase "klassisch" organisiert ... und damals recht schnell gemerkt, dass uns diese "klassischen" Organisationsformen "kaputt" machen. Auch wir hatten schon angefangen, untereinander „Grabenkämpfe“ zu führen, Intrigen zu spinnen ... und, und, und. Von unserem Teamgeist, den wir an der d.school noch alle verspürten (Anm. in-manas: der Hasso Plattner School of Design Thinking an der Universität Potsdam), war nicht mehr viel übrig. Deswegen haben wir uns auf die Suche nach neuen Organisationsformen gemacht, die den Gemeinschaftssinn wieder stärker ins Zentrum rücken. Und wurden am Ende fündig bei … Klöstern.

Klöster existieren schon seit Jahrtausenden als Organisationsform – teilweise mit sehr erfolgreichen wirtschaftlichen Betrieben im Hier und Jetzt. Und das hat uns fasziniert. Wir haben in der Folge mit Mönchen gesprochen, um zu verstehen, welche Prinzipien dort vorherrschen. Spaß und Spiel haben wir dort in der Tat nicht gefunden. Aber dafür sehr viele andere Dinge, die wir übernommen haben, um letztendlich diesen Gemeinschaftssinn, diesen Kollektivgedanken ins Zentrum zu stellen – und nicht die Gewinnmaximierung.

Ich würde also sagen, dass das Kloster für uns vor allem als Metapher für einen gelebten Gemeinschaftssinn steht. Wir streben nicht mehr nach Gewinnmaximierung, sondern wollen die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und der Gemeinschaft an erste Stelle setzen. Gewinne sind unserer Erfahrung nach dann ein willkommenes Nebenprodukt. In unseren geflügelten Worten heißt das dann: “Money follows happiness”. Das ist im Kern unser Verständnis von “New Work”.

in-manas: Vielen Dank für den spannenden Austausch, Fried.

 

BUCHTIPPS

... frisch eingeflogen aus unserem Wissenshub für HR und OE:


Future Organization Playbook: Die unverzichtbare Anleitung für innovative Unternehmen in der Transformation | Gebundene Ausgabe – 28. März 2023




Thank God it's Monday! Wie wir die Arbeitswelt revolutionieren | Design Thinking, New Work und Unternehmenskultur der Generation Y | Broschiert – 12. September 2014




QUELLEN UND VERTIEFUNGSTIPPS

[1] Jäger der Geistesblitze: Warum sind wir nicht alle Klimts, Rowlings oder Einsteins? Kreativität ist wohl der größte Trick unseres Gehirns. Einer, den es auch der Forschung nicht so leicht preisgibt. MEHR LESEN >

[2] spektrum.de: Lexikon der Psychologie: MEHR LESEN >

[3] Innovator´s Guide: Kreativität und Messung von Kreativität – die Ursprünge der modernen Kreativitätsforschung MEHR LESEN >

[\] Divergentes Denken bei Kindern – eine verkannte Fähigkeit: Divergentes Denken bei Kindern ist eine außergewöhnliche und zugleich natürliche Gabe, denn den Jüngsten hat noch niemand gesagt, was normal sei und was nicht. MEHR LESEN >

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